„Heute abend ist WHITE NIGHT PARTY!“, teilt mir Sabine leicht aufgeregt beim Frühstück mit. „Ja und, was heißt das?“ „Na, dass alle Gäste sich weiß anziehen!“. „Ok, dann weiß ich ja schon, wo ich heute nicht hingehe. Ich habe nichts Weißes dabei.“ „Doch hast du. In weiser Voraussicht habe ich dein weißes Hemd und die weiße Baumwollhose eingepackt“.
Wie gut, dass Frau an alles denkt. Dabei habe ich mich schon geistig auf einen schönen Fernsehabend bei Rotwein eingestellt. „Wann soll’s losgehen?“ „Um 22:00 Uhr. Das heißt, wir müssen uns beeilen.“ „Moment es ist jetzt 09:30 Uhr. Wieso müssen wir uns beeilen?“ „Ich muss mir noch eine weiße Bluse kaufen!“. „Ohne mich. Da bin ich raus. Du findest mich am Pool.“ „In Ordnung, wir wollen ja nicht, dass Du wieder mit der örtlichen Polizei in Berührung kommst“, sagt es und steht auf. Nach drei Stunden entspannter Poolzeit erscheint Frau gestresst am Pool. „Wie war es? Hast Du was gefunden?“ „Frag nicht“, ist die knappe Antwort. Also frage ich nicht und widme mich wieder meiner Lektüre „Herr der Ringe“ bei angenehmen 28 Grad im Schatten aber ohne gefährliche Orks. Noch nicht einmal fünf Minuten später – ich sitze gerade in Mittelerde mit Pippin und Merry auf Baumbart, dem uralten Baum-Ent, und verfolge die langsame Kommunikation, die für einen Satz Tage braucht, da kommen Ork-Laute von der Liege neben mir. „Du interessierst Dich überhaupt nicht für mich!“ „Häh? Was ist denn jetzt los? Hab ich was verpasst?“ „Mein Badeanzug!“ „Dein Badeanzug?“ „Mein NEUER Badeanzug!“ „Ist der neu?“, frage ich. „Ich hasse Dich!“ Da waren sie wieder meine vier Probleme. Ich weiß mal wieder nicht Was, Wann, Wie und Warum ihr eine Laus über die Leber gelaufen ist. Ganz nebenbei hätte bei mir eine Laus gerade nicht die Möglichkeit, über meine Leber zu laufen, da sie aufgrund des eben genossenen Long Island Ice Tea an Alkoholvergiftung zugrunde gehen würde.
„Ich dachte Du wolltest dir etwas für die White Night Party kaufen?“ „Hab ich. Eine weiße Bluse und zusätzlich den neuen Badeanzug, den ich anhabe.“, sagt’s und räkelt sich wie Grace Kelly in der Sonne. Wenn ICH etwas kaufen gehe, dann überlege ich’s mir vorher. Gehe in den Media Markt und kaufe mir den USB-Stick, für den ich vorher eine Stunde im Internet recherchiert habe. Aber sonst nichts. Frau will sich eine Bluse oder eine Hose für die White Night kaufen und kommt zusätzlich mit einem Badeanzug zurück. Wenn der jetzt wenigstens weiß wäre. Aber – ist er nicht. Wäre wohl hinsichtlich der Transparenz nicht ganz optimal. Mich würde es nicht stören, insbesondere, wenn das russische Modell auf der gegenüberliegenden Liege einen anhätte.
„Ja sehr schön dein Badeanzug. Aber Schatz, ich sitze gerade auf einem Baum und kann nicht wirklich folgen.“ „Du sitzt was?“ „Ich lese gerade eine spannende Stelle“. So. Das sollte genug des zu Kreuze Kriechens sein, zurück zu den Orgs.
Am Abend darf ich dann die neue weiße Bluse bewundern, während ich ein weißes Hemd und die weiße Baumwollhose trage. Noah hat ein weißes T-Shirt mit Aufdruck „Best Son“ und eine weiße Shorts an. Er ist schon recht aufgeregt, da wir von unserem Balkon die Vorbereitungen im Gartenbereich erkennen können, und laute Musik zu uns herüberschallt. „Papa, warum heißt das White Night Party!“ „Nun Sohn, weil möglichst alle Gäste etwas Weißes anziehen sollen?“ „Und warum?“ „Nun das Schwarzlicht bricht sich auf dem weißen Stoff in Lila Farbe.“ „Und warum zieht man dann nicht gleich Lila an?“ Gute Frage. Im Grunde hat mein Junior gerade das Energieproblem für Generationen an Diskotheken gelöst. Einfach Lila Kleidung. „Ja könnte man, aber das hat nicht denselben Effekt. Außerdem sieht weiß edel aus.“ „Aber wenn’s doch dann lila wird!?“ „Egal Du wirst schon sehen!“ Ein toller Vater bin ich. Ich kann nicht mal meinen sechsjährigen Sohn mit Argumenten schlagen. Sei’s drum. „Können wir?“, kommt mein Schatz gestylt und happy mit neuer Bluse aus dem Bad. „Wir können.“ Für die White Night Party wurde eine Gartenbereich aufwendig gestylt. An mehreren Stellen ranken sich von Ventilatoren aufgeblasene weiße Stoffsäulen in die Höhe, die von außen mit besagtem Schwarzlicht angeleuchtet werden. Die Tanzfläche wir begrenzt durch vier riesige Lautsprecher mit aufgesetzten Käfigen, in denen Gogo-Tänzerinnen ohne erkennbare Kleidung sich zum Rhythmus der Techno-Musik bewegen. „Sauber!“, rutscht es mir heraus. “Mach den Mund wieder zu, sonst fängst Du an zu sabbern! Hol uns lieber etwas zu trinken. „Zu Befehl. Was soll‘s denn sein?“ „Ein Aperol-Spritz!“ „Und für dich Noah?“ „Eine Cola!“ Noah ist, wie ich, fasziniert von den Tänzerinnen auf den Boxen, aber wohl aus einem anderen Grund. Sein Blick wandert von einer zur anderen und dann auf die Tanzfläche, auf der sich schon einige Gäste tummeln. „Du kannst gerne auch das Tanzbein schwingen“, ermutige ich ihn ohne großen Erfolg. Nah gut, dann auf zur Schlacht am Getränke Stand. Aperol und Cola. Als ich zurück komme, finde ich zwar Sabine aufgrund lila leuchtender Bluse – damit ist der wahre Grund für Schwarzlicht jetzt bekannt – aber von meinem Junior ist keine Spur. „Hier dein Aperol Spritz! Wo ist denn Noah?“ „Na schau doch auf die Tanzfläche.“ In der Tat, mitten von Erwachsenen sehe ich zwei Kids, ein Mädchen und ein Junge, die im Tekno-Rhythmus wildeste Bewegungen vollziehen. Mein Junior tanzt, als ob er noch nie etwas anderes gemacht hätte. „Dei Kläner hat’s awwer druff!“, spricht mich Kalle von der Seite an. „Der is jo besser wie de John Travolta. Unn bei de Fraue scheint er ach Indruck zu schinne“. Wer hätte das gedacht. Mein Fleisch und Blut braucht zwar Stunden, um Köpfer zu lernen, aber keine Minute, um zu tanzen als wäre der Teufel in ihn gefahren. „Ganz der Vater, will ich mal behaupten“, versuche ich ein wenig Glanz auf mich zu übertragen. „Naja, beim Gala Dinner war das net zu erkenne!“, erinnert mich Kalle an meinen unrühmlichen Abgang. Recht hat er. Das ist Noahs Moment. Mir reicht es, stolz auf meinen Kleinen zu sein. Ich bin froh, dass er das Tanzen für sich entdeckt hat und noch dazu entsprechendes Talent zu haben scheint. Ich finde es schade für jeden, dem diese Welt verschlossen bleibt. Nach 3 Liedern kommt er völlig außer Atem auf mich zu, um einen kräftigen Schluck Cola zu trinken. „Papa, das ist echt cool.“, sagt er ausser Atem. „Die Maria will morgen mit mir auf die Wasserrutsche!“ „Welche Maria?“ „Na das Mädchen, mit dem ich eben getanzt habe.“ „Ach so die. Ja cool“. Aber da ist Noah auch schon wieder abgezischt und zappelt zu den nächste Beats. Klein Maria himmelt ihn an und spiegelt seine Bewegungen. Cool. Richtig cool. „Sollen wir auch mal?“, frage ich Sabine. „Nein lass mal, mir macht es zu viel Spaß, Noah zuzuschauen.“ Bei näherem Hinschauen sehe ich kleine Tränen in Sabines Augen.