Wenn Gott wollte, dass der Mensch fliegt…

Wenn Gott wollte, dass der Mensch fliegt, hätte er ihm Flügel gemacht. Und für 1,87 Meter große Männer hat er es deshalb zur Hölle gemacht. „Ich erkenne jede Fluggesellschaft nach 3 Stunden Flug am Zustand meiner Knie!“. Das war mein Wettvorschlag für Thomas Gottschalk. Leider wurde er nie angenommen.

Nun sitze ich im Flugzeug in die Türkei und genieße meine 0,1 mm Kniefreiheit, die durch das Gehopse des zehnjährigen Jungen vor mir stoßweise auf Null reduziert wird. „Aua“. Sorry, ich muss mich korrigieren. -10cm Kniefreiheit. Gerade wurde der Vordersitz aus spielerischen Zwecken mit großem Schwung in Schlafposition gebracht. „Alles Gut mein Lieber?“ „Alles bestens, nur zwei zertrümmerte Kniescheiben.“

„Liebe Fluggäste, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden Sie nun mit den Sicherheitsvorkehrungen an Board vertraut machen!“, höre ich den charmanten Steward über die Lautsprecher. In zwei Meter Abstand vor uns fuchtelt, die großgewachsene blonde Stewardess mit gelbem Halsschal mit einer Gurtschnalle und einer Schwimmweste herum. Als die Aufforderung kommt, dass man die Sauerstoffmaske zuerst selbst aufsetzen soll, bevor man anderen hilft, stelle ich mir ein Riesenloch in der Boardwand vor, das durch eine Explosion herausgerissen wurde. In dem anschließenden Druckabfall wird man in aller Ruhe seine Maske aufsetzen können, während nicht angeschnallte Passagiere aus dem Flugzeug gesaugt werden. Ja klar. Machen wir. Es schüttelt mich bei der Vorstellung. Ich kontrolliere den Gurt von Noah und mir. Sabine kann das sicher selbst. „Bist Du auch angeschnallt, Jörg?“, fragt Sie mich, also ob Sie meine Gedanken lesen könnte. „Ja, bin ich!“, gebe ich mit schlechtem Gewissen zurück. Sie ist doch der bessere Mensch. Dann geht’s mit 330 km/h in die Luft und ich dämmere langsam ein.

„Liebe Fluggäste, wir servieren Ihnen nun ein kleines Frühstück bestehend aus einem köstlichen Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade, Kaffee oder Tee und einem Frischegetränk ihrer Wahl.“, werde ich vom Lautsprecher geweckt. Was sich wie ein 5 Sternefrühstück anhört, entpuppt sich als Gummiweck in Plastikfolie, angegraute Frischwurstscheibe und Marmelade im Aluminiumpack. „Was darf’s denn sein? Kaffee oder Tee?“, fragt die Stewardess mit gelbem Halsschal in unsere Reihe. „Für mich Kaffee bitte!“, gebe ich kurz als Antwort.  „Entschuldigung, erst die Dame?“ „Für mich einen Tee, bitte!“, antwortet Sabine und nimmt ihr Heißgetränk von dem dargebotenen Tablett entgegen. „Für mich einen Kaffee bitte!“. „Ja, das habe ich verstanden. Mein Herr. Gleich sind Sie an der Reihe. „Was möchte der junge Mann. Milch, Kakao oder Tee?“ „Ich hätte gerne einen Kakao!“, gibt Noah ganz aufgeregt zurück und bekommt neben einem freundlichen Lächeln sofort sein Getränk überreicht. „Was darf’s für Sie sein?“ „Ach liebes Fräulein, da Wiederholung Verständnis schafft, formuliere ich’s für Sie gerne nochmal laut und deutlich. ICH MÖCHTE EINEN KAFFEE!!“. „Sehr gerne. Hier ein Kaffee für den freundlichen Herrn mit Hörschaden!“. Echt jetzt. „Wann wird denn das Frischegetränk serviert?“. „Das bringt Ihnen gleich meine Kollegin.“ „Und was gibt’s zur Auswahl!“. „Wir servieren heute Sekt, Wasser, Orangensaft, Cola, Fanta und natürlich Tomatensaft!“, lautet die kurze Antwort während sie sich der nächsten Sitzreihe zuwendet. Tomatensaft. Wer trinkt das schon. Ich meine, ich habe schon davon gehört, dass in Flugzeugen vermehrt Tomatensaft getrunken wird. Aber…warum? Kein normaler Mensch trinkt, Tomatensaft. Mal abgesehen, von der Öko-Brünetten aus Gruppe E zwei Reihen hinter uns. Vielleicht hat aber die Flughöhe, eine besondere Wirkung auf die Geschmacksneuronen. Vielleicht ist es aber auch nur ein Gruppenzwang? Auf jeden Fall nichts für mich. Die Stewardess mit schwarzen, geflochtenen Haaren und dunklen Augen nähert sich mit dem Frischgetränkewagen. Also, was wählen? Wasser? Zu billig für den teuren Flug. Sekt? Nicht so früh, man will ja nicht als Alkoholiker wirken. Orangensaft? Ja. Orangensaft wäre gut. Der Sitznachbar auf der anderen Seite des Durchgangs nimmt einen Tomatensaft. Als ich an der Reihe bin, durchdringt mich ein unstillbares Verlangen nach Tomate. Wie unter Hypnose höre ich meine eigene Stimme. „Ein Tomatensaft bitte!“ „Sehr gerne. Ein wenig Pfeffer?“ „Ja. Bitte!“. „Seit wann trinkst du Tomatensaft?“, schaut mich Sabine ungläubig an. „Schon immer. Bei uns gibt es den nie. Da muss man die Gelegenheit wahrnehmen!“ „Ich kann gerne Tomatensaft einkaufen. Wenn Du den so magst. Ist sicherlich gesund!“ Ja, gesund. Gesund und widerlich, was mir beim ersten Schluck bewusst wird. Jetzt weiß ich auch, warum es dazu Pfeffer gibt. Schnell ein wenig davon rein. Hilft leider nicht. Boah, ist das ekelig. Die rote Gemüsebrühe zerstört meine Geschmacksnerven. Irgendwie muss ich den Rest aus dem halbvollen Glas loswerden. „Schatz, willst Du einen Schluck? Schmeckt echt …gesund.“ „Nein, Danke mein Lieber ich bleibe beim Orangensaft.“ „Und Du Noah, willst du mal. Du weißt ja. Man sollte alles mal probiert haben.“ „Nein Danke. Papa! Ich mag keine Tomaten“. „Oh Gott, jetzt muss ich die Brühe alleine runterwürgen“, denke ich noch als im selben Moment der Vordersitz wieder zurückgeklappt wird, und mein wertvoller Tomatensaft ergießt sich über Klapptablett und mein Hosenbein. „Ach, Du liebe Güte.“, bemerkt die Mutter des kleinen Rüpels vor uns das Missgeschick. „Franz Xaver, ich habe Dir gesagt, Du sollst während des Frühstücks nicht an der Stuhllehne rumspielen! Das tut mir wirklich schrecklich leid, mein Herr. Kann ich etwas für Sie tun.“ „Nein, halb so schlimm. In dem Alter sind die Kinder halt so“, gebe ich verständnisvoll mit einer inneren Freude zurück. Das Schicksal hat mir einen weiteren Schluck Folter erspart. Mit den Worten „Schatz ich muss mir kurz die Sauerei von der Hose wegmachen!“ bewege ich mich in den Gang und Richtung Toilette. Als ich mit einem einigermaßen sauberen Hosenbein und nassem Schritt von der Toilette zurückkomme, werde ich skeptisch von den Mitreisenden begutachtet. Meine Liebste erwartet mich mit einem Strahlen im Gesicht. „Schau nur, die Stewardess war so nett, Dir ein neues Glas Tomatensaft zu bringen. Wohl bekomm’s mein Lieber!“ und reicht mir das Glas.

2 Kommentare

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert