Mokka, bitte!

„Schatz, siehst du das?“, frage ich, während ich mein 90 Kilo auf der Liege mit höchster Willenskraft von einer Seite zur anderen rolle. „Das Kind da drüben hat eine frisch gebackene Waffel auf dem Teller und ein Waffeleis in der Hand.“ „Ja, und?“. „Irgendwie sagt mir mein vom Rumliegen geschundener Körper, dass ich dringend etwas zum Schnausen brauche.“ Für nicht ganz in unserer Sprachwelt beheimatete Leserinnen und Leser sei angemerkt, dass „Schnausen“ die Aufnahme von Nahrung bedeutet, für die gilt: unnötig, ungesund, Adipositas fördernd, aber geil.  „Weißt Du wo man sich das holen kann?“ „Als ich eben auf der Toilette war, haben sie unter den Tribünen vom Colosseum die Rollladen zu kleinen Kioskbereichen geöffnet. Dort gibt’s Teilchen, Kuchen, Waffeln und Eis.“ „Ein Eis wäre jetzt nicht schlecht, oder?“ „Wenn Du meinst. Es ist schließlich schon eine Stunde her, dass wir reichlich zu Mittag gegessen haben.“ „Mein Gott, man lebt nur einmal. Außerdem kostet doch nichts. All Inclusive muss sich schließlich auch rechnen.“ Auch wenn die Rechnung lautet: Tausche tausende Euro gegen 3 Kilo Fett, denke ich für mich.  „Dein Bauch wird Dir’s danken. Deine Gesundheit weniger!“, versucht mich mein bessere Hälfte zu einem besseren Menschen zu bekehren. Erfolglos. „Ach komm, wir sind im Urlaub.“. „Wenn Du schon hingehst, bring mir bitte noch einen Kaffee mit“, wendet sie sich ab und widmet sich wieder Brad Pitt im Hochglanzformat, der mit seinem Astralkörper, wohl noch keinen All-Inclusive Urlaub verbracht hat.
Also mache ich mich auf. Getrieben von den Ur-Instinkten des Jägers und Sammlers. Immer auf der Hut und bedacht, genug Vorräte zu organisieren und allen Gefahren zu trotzen, die so am Weg entlang eines 300 Meter Pools lauern. Vorbei an verlockenden Bierständen, hübschen Badenixen und im Pool beim Wasserball sich messenden Testosteron-Hengsten, die völlig unnütz ihre wertvollen Energiespeicher mit Planscherei verbrauchen. Dämlich und keine gute Taktik in dieser überlebenswidrigen Umwelt.

Angekommen am Eisstand reihe ich mich als Erwachsener hinter 3 Kindern ein, die nacheinander ihre Waffeltüten mit 1 bis 2 Kugeln empfangen. Das Kind vor mir bestellt Erdbeer und Mokka. Mokka. Genau das, worauf ich jetzt Lust habe. Eine wirklich gute Idee, so am Nachmittag kühler erfrischender Kaffeegeschmack im Mundraum. So lautet dann auch meine Bestellung als ich an der Reihe bin: „Erdbeer und Mokka, bitte“. Die junge türkische Animateurin mit langem, schwarzem Zopf, türkisem T-Shirt und weißem Minirock, die hinterm Tresen steht, füllt mir die Waffel mit 2 Kugeln Erdbeer. „Noch Mokka bitte!“. Bestehe ich auf meinem klar geäußerten Wunsch. Sie schaut mich etwas irritiert an und pflanzt noch ein Kugel Erdbeer auf die zwei vorhandenen Kugeln. Hinter mir warten inzwischen 4 Kinder ungeduldig. „Ahhmm, spreche ich „Bahnhof“? Was bitte schön, ist an der Sorte Mokka so schwierig zu verstehen? Noch nichts von Kundenorientierung gehört, was? Ohne mein Mokka-Eis gehe ich hier nicht weg. Also nochmal und ganz langsam zum Mitschreiben, damit mich selbst die ungebildete Jugendlichkeit versteht. M – O –  K – K – A“. Sie schüttelt den Kopf. „Hallo junge Dame, ich sag’s jetzt zum letzten Mal bevor ich den Geschäftsführer rufe. Ich will MOKKA!“  

So das sitzt. Ein wahrer Jäger lässt sich nicht gleich von dem ersten Rindvieh ins Boxhorn schlagen. Er weiß, wie er seine Stimme als Waffe einsetzt, um das zu bekommen, worauf er ein Recht hat. Sein Mokka-Eis. Jetzt hat sie’s hoffentlich kapiert, diese dämliche Hinterwäldlerin. Der Ausdruck im Gesicht der jungen Dame ändert sich von freundlich in angewidert, über diesen Auswuchs an Vielfresserei. Mit deutlichem Missfallen in der Bewegung positioniert sie eine vierte und fünfte Kugel Erdbeereis auf der Waffel, von der leichte Bruchgeräusche zu vernehmen sind und reicht sie mir über die Eistheke. Gerade will ich zu einer Tirade über Gästewunsch ansetzen, als ich das Schild über der Theke entdecke. „Heute Erdbeereis“. Der Blitz der Erkenntnis schlägt mir in mein Hirn und trifft direkt die Schäm-Dich Ecke. Die junge Dame hat wohl nur Erdbeereis in ihrer Eistruhe. „Mokka“ heißt wohl in irgendeiner Sprache „Mehr“, dämmert es mir langsam. „Vielen Dank“, sage ich so, als ob es wohl selbstverständlich wäre, dass man 5 Kugeln Erdbeereis auf einer kleinen Waffel balancieren und verspeisen möchte, und trolle mich, leicht geduckt, die abwertenden Blicke in meinem Rücken spürend, zurück Richtung Liegestuhl. „Du konntest den Hals wohl nicht vollkriegen“, empfängt mich meine Liebe. Hast Du wenigstens an meinen Kaffee, gedacht?“. Stimmt der Kaffee. Da war noch was. Also wieder zurück. „Mokka-Kaffee bitte“, ruft sie mir hinterher. „Ganz bestimmt nicht“, denke ich mir und gehe einen kleinen Umweg, um nicht am Eisstand vorbei zu müssen.

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