Frühstück

„Wo ist denn nun die Mama? Das kann ja nicht so schwer sein! Oder Noah?“ Weit gefehlt. Das was sich hinter der Flügeltür zum Frühstücksbereich verbirgt ist nicht ein kleiner gemütlicher Saal, sondern eine palastähnliches Buffethalle. Ich muss Noah den Mund zuschieben, den er ihm beim Anblick runtergeklappt ist. Gleich rechts gibt’s für Kinder ein extra Buffet mit Pancakes, Müsli, Rührei, Brötchen, Kuchen und einem Clown zur Belustigung. Dieser winkt auch gleich und mein Kind ist weg. Nicht dass ich das bemerkt habe, da ich selbst schon voll in Trance von den Gerüchen der angebotenen Speisen bin. Es riecht nach Ananas, frischgepressten Orangen, frischen Waffeln, Crepes, Eier mit Speck, Melonen und Tee. Meine Nase führt mich an ein 50 Meter langes Buffett an dem die verschiedensten Leckereien Angeboten werden. Versucht gleich alles mitzunehmen, was sich so in meine Sinne bohrt, habe ich mich schon mit einem Tablett und einem Teller bewaffnet. Da meldet sich auf einmal das kleine Engelchen auf meiner Schulter. „Nah Dickerchen. Willst Du gleich am ersten Tag über die Stränge schlagen? Denk an deinen zu hohen Cholesterinspiegel! Was soll deine Frau, dein Kind, deine Mutter und deine verstorbene Großmutter denken? Überleg Dir bitte, was Du tust“. „Ok, Du hast gewonnen!“, gebe ich klein bei und stelle die drei Teller und zwei Schüsseln zurück. Dann eben nur ein gesundes Müsli. Schließlich will man sich ja noch in Badehose am Pool präsentieren.  „Da drüben gibt’s auch Eiweiß-Brötchen“, rauscht Frau Müller mit ihrem Tablett und Mann im Schlepptau an mir vorbei. „Ich meine, Sie brauchen nach dem Schwächeanfall etwas Gesundes zum Frühstück, oder etwa nicht“, lacht sie und ist weg. „Vielen Dank für den Tipp“, lächele ich freundlich zurück und werde mir bewusst, dass jetzt schon Senioren Mitleid mit meinem körperlichen Zustand haben. Der Müsli-Spender ist praktisch. Man dreht an einem Rädchen und eine kleine Portion wird von dem säulenartigen Behältnis freigegeben. Neben dran steht eine Karaffe mit Milch. Also dann Milch rein und gut is. Mist, das war die Soja Milch. So gesund muss es auch nicht sein. Passiert ist passiert. Aber wo gibt’s denn jetzt den Kaffee? Irgendwas fehlt noch. Ach ja meine Liebste. Die hatte ich glatt vergessen. Ok dann auf zur Kaffee- und Schatzsuche. Ich folge den Gästen mit vollen Tabletten, die aus dem Buffet-Saal Richtung Außenbereich eilen. Frühstück unter freiem Himmel, das mag ich. Außer mir mögen das anscheinend auch 432 andere Gäste an diesem Morgen und mein Blick schweift über eine Vielzahl vollbesetzter Tische, die von fleißigen Kellnern in brauner Hotel-Kluft nicht allzu schnell mit Kaffee und Tee versorgt werden. Aha, den Kaffee bekommt man also gebracht. Schatz ist leider noch unauffindbar. Verzweiflung macht sich breit. Wie soll man bei diesen Menschenmassen eine einzige unscheinbare Person entdecken?  Doch dann sehe ich Sie an einem kleinen vier Personentisch sitzen. Leicht angesäuert beißt Sie in ihr Eiweißbrötchen. „Nah!? Noch zwischendurch einen Strandspaziergang gemacht? Und wo ist unser Kind?“. „Ups, ahm. Stimmt. Da war noch was. Ich glaube das ist vorne am Kinderbuffet?“. „Glaubst Du? Hast Du gemerkt, wie viele Leute hier sind? Wie soll der Kleine uns denn finden. Stell dein Tablett ab und gehe Ihn suchen. Ich möchte nicht am ersten Morgen im Urlaub ohne mein Kind frühstücken und ggf. eine Vermisstenanzeige aufgeben!“. „Was soll schon passieren, wir sind hier in einer geschlossenen Anlage. Außerdem gibt es einen Clown zur Kinderbetreuung“, versuche ich die Stimmung etwas zu beschwichtigen. „Einen Clown? Hast schon mal Stephen King’s ES gesehen! Bring mir mein Kind?“. Wenn es IHR Kind ist, ist die Situation ernst. Also gebe ich den Widerstand auf und bewege mich schnellen Schrittes in Richtung Kinderbuffet. Was wenn sie recht hat? Was wenn mein Kleiner sich schon an den Bademeister gewendet hat, so wie wir es ihm beigebracht haben, wenn er sich im Schwimmbad verlaufen hat. Was wenn Stephen Kings ES sich meinen Kurzen geschnappt hat und schon in der Kanalisation verschwunden ist. Zum Glück sehe ich Ihn als ich um die Ecke zum Kinderbuffet biege, wie er vergnügt am Kindertisch mit einem Teller Pancakes, einer Schokomilch und seinem neue gewonnen Fahrstuhlfreund ein paar Trauben aus einer Schüssel vernichtet. „Sohn! Komm Deine Mama vermisst Dich!“. „Ich will hier mit Sebastian frühstücken!“ „Du kannst morgen mit Sebastian frühstücken. Heute frühstücken wir gemeinsam. Also Abmarsch!“. Widerwillig packt er sein Tablett. „Also tschüss dann. Sehen wir uns nachher am Pool Sebastian?“. „Bestimmt, wir gehen gleich nach dem Frühstück!“, antwortet dieser. „Gut gemacht. Gleicht ein Date für später. Das ist nur positiv für Deine Eltern“, freue ich mich und wir beide trotten entspannt wieder Richtung Außenbereich. „Ach mein Schatz, mein kleiner Engel, ich hab schon gedacht ich hätte Dich verloren. Du kannst doch nicht einfach so weg sein.“. „Mama ich habe mit Sebastian gefrühstückt und nachher treffen wir uns am Pool.“ „Sebastian?“. „Ja, der Junge vom Fahrstuhl. Außerdem ist Papa im Fahrstuhl umgefallen“.  Ok. Damit wäre das auch raus. Meine Liebste blickt mich fragend an, erhält aber keine Erklärung. Hätte ja mitfahren können. So genießen wir dann gemeinsam unser Müsli, Eiweißbrötchen und Pancakes unter freiem Himmel bei kühlen 35 Grad im Schatten. Vorteil: Der Kaffee wird nicht kalt.

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