Im Fahrstuhl

„Nun mach schon. Frühstück gibt es nur bis 10:30 Uhr“, sagt meine Liebste in deutlich diplomatischerem Ton. Sie weiß, wann der Pascha mit Samthandschuhen anzufassen ist, und wann es gilt den Sklaven mit der Peitsche aus dem Bett zu treiben. Vielleicht ist ja das, das Geheimnis unserer Beziehung. Die Rollen sind klar verteilt und beide bei mir. „Es ist schon 8:30 Uhr, da wird’s echt knapp“, gebe ich schnippisch zurück. Aber egal, Liebste sagt, ich mache. „Ich will meinen Schwimmreif schon mitnehmen!“, meldet sich mein Kurzer, der irgendwie schlauer ist als ich. Zumindest erscheint es mir so, da alles nach seinem Willen geht. Aber diesmal nicht. Diesmal setze ich meine väterliche Autorität durch. „Der Schwimmreif bleibt hier, den können wir noch nachher mitnehmen. Nachher heißt nach dem Frühstück.“ „Aber warum, wenn ich ihn jetzt mitnehme, dann muss ich nicht mehr hoch ins Hotelzimmer und kann gleich an den Pool!“. „Man nimmt im Hotel keine Schwimmreifen mit zum Frühstück. Wenn das jeder machen würde, wäre schließlich kein Platz beim Essen. Fertig!“. Fertig heißt dabei so gut wie: Ende der Diskussion. „Aber…“, versucht er anzusetzen. „Fertig!“, wiederhole ich. „Dann nehme ich wenigstens den Kaschi mit.“ Kaschi ist sein aus Plüschstoff bestehendes blauweißes Kuscheltier, das er zur Geburt von meinen Arbeitskollegen geschenkt bekommen hat. Kaschi hat keine Arme, keine Beine nur einen Lappen als Körper und einen runden Kopf mit Zipfelmütze. Wobei von dem Zipfel aufgrund jahrelangen Saugens und zwischen den Fingern Drehens nicht mehr viel übrig ist. Auf jeden Fall ohne Kaschi geht gar nichts. „Sohn“, sage ich mit einem Ton der erahnen lässt, dass nun eine Predigt über die Entwicklung eines Achtjährigen erfolgt, der immernoch ein Baby-Kuscheltier zum Frühstück mitnehmen will. „Sohn. Ein Junge nimmt in Deinem Alter kein Kuscheltier mehr mit und erst recht nicht zum Frühstück. Wie sieht das denn aus. Stell Dir vor, Du triffst andere Jungs in deinem Alter, was meinst du, was die denken.“. „Die Denken bestimmt, ein cooles Kuscheltier. So eins hätte ich auch gerne“. Ok, die „Du musst Dich dann schämen!“ –Strategie hat offensichtlich nicht gefruchtet. Es fehlt meinem Kurzen an sozialer Reife. Gut, dann werden wir in der Argumentation etwas deutlicher. „Der Kaschi bleibt hier. Fertig“. „Mama, warum darf ich den Kaschi nicht mitnehmen?“. Das macht er immer. Wenn’s schwierig wird, holt er sich Verstärkung. Aber zum Glück haben meine Liebste und ich die Vereinbarung, dass wir bzgl. Kindererziehung immer an einem Strang ziehen und uns nicht von dem Kleinen ausspielen lassen. Wenn ein Elternteil etwas sagt, bekommt er von dem anderen den Rücken gestärkt. So ist das. „Jetzt lass ihn doch den Kaschi mit nehmen! Der stört doch nicht!“. Soviel zum gemeinsamen Strang. Verloren, auf ganzer Linie. Autorität im Bermudadreieck zwischen Mama, Kurzem und Kaschi verschollen. Egal, der Kleine lacht jetzt ja so schön. Ein Siegeslächeln begleitet von einem Kopfstreicheln durch die Mama, und einem Kaschi, den er, wie so oft zwischen Kinn und Hals einklemmt, weil’s so schon schön weich ist. Dass er dabei aussieht, wie ein Opfer nach einem Verkehrsunfall mit Schädel-Halstrauma und starrer Halskrause, scheint in dabei nicht zu stören. Sei‘s drum. Auf zum Frühstück.

Die Hotelzimmertür schließt sich hinter Papa, Mama, Kurzem und Kaschi und wir bewegen uns Richtung Fahrstuhl. Vor dem Fahrstuhl warten schon zwei Familien mit je 2 Kindern. Sebastian, ein Junge in seinem Alter steht auch dabei. „Guck mal ich hab auch ein Kuscheltier“, wendet dieser sich neugierig meinem Kleinen zu. Daraufhin wird verglichen. Welches ist weicher, leichter, wer hat welches schon wie lange. Hier scheint sich eine Freundschaft für’s Leben anzubahnen; oder doch zumindest für den Rest des Urlaubs. Meine Liebste schaut mich mit dem Blick „gut, dass wir den Kaschi mitgenommen haben“ an. Ich versuche dem Blick auszuweichen und das Ganze zu ignorieren. Ich mag’s nicht, Unrecht zu haben und drücke ungeduldig auf den Knopf zum Herbeirufen des Fahrstuhls.

„Wir warten schon 3 Minuten“, wirft der Vater des anderen Jungen ein. „Wenn alle zur gleichen Zeit runter wollen, dauert‘s manchmal eine Ewigkeit. Wir sind schon 3 Tage hier und haben unsere Erfahrung gemacht“. „Lass uns doch die Treppen nehmen“, meint meine Liebste. “Das tut Deinem Körper auch gut.“ Ohne die letzte Bemerkung, die von einem Blick auf mein mühsam erarbeitetes Bäuchlein begleitet wird, wäre ich vielleicht die Treppen gelaufen. So aber nicht. „Der wird schon gleich kommen.“, entgegne ich und drücke zur Beschleunigung nochmal auf den Pfeilknopf nach unten. Dabei geht mir wie immer der Gedanke durch den Kopf, ob man jetzt den Pfeil nach unten drückt, um dem Fahrstuhl zu sagen, dass man nach unten will, oder den Pfeil nach oben, um ihm zu sagen, dass der hochkommen soll, wenn er unten ist. Ist ja auch egal, das Ding hält eh in jedem Stockwerk. Also drücke ich zur Sicherheit auch den Pfeil nach oben. „Also, ich gehe jetzt“, sagt meine Liebste und macht sich auf in Richtung Treppe. Familie Nummer 1 und 2 schließt sich meiner Frau an, während mein Sohn zu seinem Erzeuger hält, der tapfer die magische Tür zum Fahrstuhl beobachten.

Und dann passiert es: Die Türen öffnen sich, und vor uns ist ein leerer Fahrstuhl. „Na wer sagt’s denn. Geduld muss man eben haben. Mal sehen wer jetzt als erster unten ist“, gebe ich Noah beim Eintreten ins Fahrstuhlinnere zu verstehen. Als sich die Tür des Fahrstuhls hinter uns schließt und ich den Knopf mit „EG-Breakfast/Frühstück“ drücke, setzt sich dieser wie erwartet in Bewegung. „Papa. Ich glaube, wir fahren jetzt nach oben“. In der Tat zeigt die Zahlenreihe im Fahrstuhlinnern sukzessive eine steigende Ziffernfolge von unserem 6ten Stock aufsteigend. „Maximal 15 Personen?“ liest mein Kleiner das silberne Schild vor, das über den Stockwerknöpfen angebracht ist. „Was bedeutet das Papa?“ „Nun ja, dass eben maximal 15 Personen gleichzeitig mit dem Aufzug fahren dürfen, ansonsten ist die Last zu schwer“. „Und was passiert, wenn doch mehr als 15 einsteigen?“ „Also ich habe noch nie erlebt, dass in einen Aufzug so viele Leute einsteigen, wie auf dem Schild steht. Du siehst ja wie wenig Platz hier drin ist. Wenn man da 15 Leute reinkriegen wollte, müsste man ja die Luft anhalten. Also mach dir keine Sorgen. Außerdem haben solche Aufzüge immer eine ausreichende Gewichtstoleranz. Da passiert nichts.“. Den Zusatz „in Deutschland zumindest“ spare ich mir, um meinen Junior nicht zu verunsichern. Der Aufzug scheint sich den südlichen Gewohnheiten angepasst zu haben und schleicht gemütlich nach oben, wobei gelegentlich ein beängstigendes Knarzen zu hören ist, bei dem sich jedes Mal die Finger meines Juniors fester um meine Hand schließen. Langsam mehren sich meine Zweifel, ob die Fahrstuhlwahl die richtige Entscheidung war. Treppen sind irgendwie berechenbarer. Egal. Jetzt sind wir drin. Außerdem eine gute Gelegenheit meinen Kleinen über Sicherheitsnormen aufzuklären. Endlich. Die 12 leuchtet und signalisiert uns die Ankunft im obersten Stockwerk.

„Ding Dong!“.  Die Tür öffnet sich. Michael und Susanne Lehman mit Teenagersohn Ralf, Schulanfänger Kevin und der einjährigen Lisa im Kinderwagen steigen zu, wie wir nach kurzer Begrüßung erfahren. Mein Kurzer und ich rutschen Richtung Fahrstuhlrückwand-Spiegel, um dem Kinderwagen Platz zu machen. Die Tür schließt sich, und der Fahrstuhl setzt sich abwärts in Bewegung. Na endlich. Ein Ende ist in Sicht. „Sieben“, zählt mein Kurzer. Im ersten Moment weiß ich nicht, was er meint. Doch dann freue ich mich über die praktische Übung meines Kurzen die Fahrgästezahl zu überprüfen. Er hat eben viel von seinem Papa geerbt.

11ter Stock. „Ding Dong“. Rentnerehepaar Müller aus Duisburg, die wir gestern schon beim Transfer vom Flughafen kennenlernen durften, steigt mit einem heiteren und energiegeladenen „Guten Morgen!“ zu. „Ach Sie sind‘s. Na gut geschlafen? Toll, dass man hier keine Liegen reservieren kann, nicht wahr? Da spart man sich das frühe Aufstehen.“ „Ja, wenn man’s weiß“, denke ich mir und vermeide jede weitere Blöße.

Beim Zusammenrücken rammt mir Frau Lehmann den Kinderwagen mit seiner abgerundeten, aber harten Vorderkante ans Schienbein. Ein kurzes „Entschuldigung!“ mildert nicht wirklich den Schmerz, der sich in einem blauen Fleck manifestiert. „Neun“, zählt mein Kleiner.

10ter Stock. „Ding Dong“. Jetzt wird’s ernst. Karlheinz Goldschmidt, kurze Kalle genannt –, ein  Endfünfziger mit  VOKUHILA-Frisur, Träger-T-Shirt, behaartem Oberkörper mit Goldkette, Waschtrommelbauch von gigantischem Ausmaß, saarländischem Dialekt und einer offenen Flasche Bier steigt rülpsend mit einem „Morje, odder is schon oment. Hähähä“ ein. Da Kalles Bauch Platz beansprucht, geht die Raumoptimierung in die nächste Runde. Mein Junior drängt sich an meinen Oberschenkel. Kevin, stellt sich auf den vorderen Rand des Kinderwagens und lehnt sich über Lisa, die anfängt zu heulen. Herr Lehmann macht das, was er schon seit einem Jahr nicht mehr gemacht hat, und nimmt seine Frau in den Arm. So stehen wir alle etwas beengt. Außer Kalle, der hat noch ausreichend Platz, was vielleicht an dem intensiven, von Alkohol und Knoblauch durchtränkten Körpergeruch und den sich vermehrenden Schweißperlen auf seiner Haut liegt. „Jetzt sind wir schon zehn Papa“. „Ja, ja. Aber Du erinnerst Dich ja daran, was ich Dir über Toleranz gesagt habe, nicht wahr?“. „Was meint denn Ihr Sohn?“, fragt Frau Müller. „Nichts. Er zählt nur.“, spare ich mir weitere Erläuterungen.

9 ter Stock. „Ding Dong“. Die Tür öffnet sich und wir sehen ein junges, verliebtes Paar wild knutschend vor dem Fahrstuhl. Getreu meiner erzieherischen Pflicht halte ich meinem Junior die Augen zu. Was eigentlich nicht notwendig ist, da er auf seiner Augenhöhe eh nicht mehr raussieht. „Was soll denn das Papa?“, beschwert er sich.  Die Tür schließt sich und ich bin froh, dass die beiden jungen Leute den Moment verpasst haben zuzusteigen. Wäre jetzt doch schon eng geworden. Doch Kalle Goldschmidt drückt den Tür-Auf -Knopf. „Ding Dong“ ertönt es zum zweiten Mal. „Hey, ihr zwei hübschen. Wolle na nett mitfahre?“. Die zwei Verliebten merken erst jetzt, die offene Fahrstuhltür, zögern etwas beim Anblick von Kalle Schweißnass und der gedrängten Menge im Fahrstuhl, steigen dann aber doch zu. „Nett, dass Sie auf uns gewartet haben!“, lächelt die junge Dame mit leicht geröteten und verlegenem Gesicht. „Iss doch klar, mir hann jo Zeit. Mir sinn jo all im Urlaub, odder? “, lacht Kalle bereits auf Flirtmodus geschaltet und fängt dabei so an zu husten, dass mir ein paar Tropfen quer durch den Raum auf der Wange landen. Igitt. Frau Lehmann zückt ebenfalls panisch ein Papiertaschentuch und reibt, sich, Ralfs und Kevins Gesicht ab.

„Zwölf“, höre ich meinen Junior unverdrossen seine Zählstudie fortsetzend. Die Tür schließt sich und die junge Dame verspürt Kalles Körperduft und sucht Deckung hinter ihrem Liebsten. Was dazu führt, dass weitere Bewegung in die Fahrstuhlgruppe kommt. „Papa, ich kann nichts mehr sehen!“, beklagt sich mein Junior, der dummerweise unter die Weste von Frau Müller geraten ist.  „Hoppla ich dachte schon Du bist’s Werner und erkundest meinen Rücken!“, scherzt Frau Müller mit ihrem Mann“ während sich mein Kleiner aus Ihrer Strickweste befreit. Um meinen Kurzen vor dem baldigen Erstickungstot zu bewahren, nehme ich ihn, inklusive Kaschi auf den Arm. „Wir sind gleich unten“, beruhige ich ihn und nicht zuletzt mich selbst.

8ter Stock. „Ding Dong“.

Vor der sich öffnenden Tür wartet die türkische Großfamilie Sahin, mit Opa und Familienoberhaupt Mahsun, seiner Frau Suna, Ihrem Schwiegersohn Ferhat mit Frau Ezgi und deren 3 Kindern (inklusive Kinderwagen). Nicht zu vergessen Großonkel Behic, der gerade aus dem gegenüberliegenden Zimmer dazu stößt.

Ich verfolge die kurze und lautstarke auf Türkisch geführte Diskussion zwischen Mahsun und Suna. Obwohl ich des Türkischen nicht mächtig bin, kommt das gesagte mir bekannt vor. Als ob ich’s vor 10 Minuten schon mal gehört hätte. Als die Fahrstuhltür sich schließen will, stellt Onkel Behic schnell den Fuß zwischen die sich schließenden Flügel. Die geführte Diskussion breitet sich auf weitere Familienmitglieder aus und nimmt an Lautstärke zu. Immer wieder wird in Richtung Fahrstuhl und Treppe gedeutet. Nebenbei vernehme ich ein leises Flüstern hinter dem Kinderwagen der Lehmanns. Susanne hat die Augen geschlossen und murmelt etwas. Unser verliebtes Pärchen ergreift die Chance. „Wir müssen hier raus!“, sagen sie und sind schon draußen. Ich sehe noch, wie sie die Tür zum Treppenhaus öffnen und verschwinden. Da ich mich mit Junior auf dem Arm in der hintersten Ecke des Fahrstuhls befinde, bleibt mir diese Option verwehrt, zumal die Diskussion aufgrund des neu entstanden Platzangebotes vor dem Fahrstuhl abrupt erlischt und alle nun freudig in den Fahrstuhl strömen. Trotz aller Bemühungen können wir nicht soweit zusammenrücken, dass 19 Personen und 2 Kinderwagen reinpassen. Doch Kalle hat wieder eine rettende Idee. Er trinkt die Flasche Bier aus und lupft mit beiden Händen den Kinderwagen von Familie Sahin über seinen Kopf in die Höhe. Die vollbehaarten Achselhöhlen, die dabei zum Vorschein kommen, scheinen akzeptabel aufgrund des zusätzlich gewonnenen Platzangebots. Da aber trotz dieser Maßnahme Onkel Behic immer noch zwischen den Fahrstuhltüren eingequetscht ist, gibt Mahsun Herrn Lehman zu verstehen doch auch dessen Kinderwagen zu lupfen. Trotz leichter Proteste von Susanne Lehmann, heben Michael Lehmann und Herr Müller den Kinderwagen in die Höhe. Ralf nimmt Kevin auf den Arm und die Sahins verteilen ihre 2 weiteren Kinder Rock-Konzert artig in der Luft auf den Händen von Onkel Behic, Suna, Ferhat und Ezgi. Die Tür schliesst sich.

„19“, zähle ich in Gedanken. Alle sind fröhlich außer mir und meinem Kurzen. Ich höre nur ein fragendes „Papa, hast Du mitgezählt?“. Junior hat offensichtlich auch gezählt und vertraut auf das Wort Toleranz. „Mir fallen tödlich endende Unfallberichte aufgrund von Überlast, Material- oder Statik-Fehlern ein. Frau Lehmann betet – nun deutlich vernehmbar, das „Vater uns“. Kalle kämpft mit einem Krippeln in der Nase. Frau Müller versucht die aufkommende Atemnot mit einem „Kuschelig hier“, zu überspielen und Familie Sahin stimmt eine türkische Volksweise an. Dabei wird rhythmisch und lachend mit den Füßen gestampft. „Resonanz Frequenz“, fällt mir ein. „Hoffentlich nicht!“, sind die letzten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen, bevor mir schwarz vor Augen wird. Dunkelheit.

Von fern höre ich eine Stimme „Vielleicht sollte ma a Mund zu Mund Beatmung mache“.

Eine von Nikotin und Alkohol verseuchte Luft wird intensiver und bringt mich schlagartig zu Bewusstsein. Als ich die Augen öffne, finde ich mich liegend auf dem Fahrstuhlboden. Mein Junior sitzt etwas verzweifelt mit den Tränen in den Augen neben mir. Über mir beugt sich Kalle herunter, freudig erregt und darauf versessen, seine vor 30 Jahren zur Führerscheinprüfung erworbenen Erste Hilfe Kenntnisse endlich einmal praktisch anwenden zu können. „Schon gut, ich bin wach.“, bringe ich noch rechtzeitig hervor, bevor sich Kalles Lippen auf meine senken. „Ah du isser jo widder! A bissje schwach uff de Bän, was. Hahaha!“.  Jetzt erst bemerke ich die Menschtraube um uns herum. Die Fahrstuhltür steht offen und ich sehe den Knopf „EG-Breakfast/Frühstück“ leuchten. Wir sind also unten. Gott sei Dank. „Wie lange war ich weg?“, „Mindeschdens zwei Minutte odder länger. Awwer ich muss jetzt fortt, was frihsticke. Do krit ma jo richtisch Hunger bei der Uffrechung“, sagt’s und trollt sich Richtung Frühstücksraum. Auch die anderen Schaulustigen merken, dass die Show vorbei ist und folgen Kalle, etwas murrend, da weder Blut noch eine verunglückte Erste Hilfe Aktion zu sehen, geschweige denn mit dem Handy aufzuzeichnen war. „Papa, geht’s Dir wieder besser?“, fragt mich mein Kleiner, noch immer etwas verstört durch das eben Erlebte. „Ja kein Problem. Die Luft war halt stickig und auf einmal ist mir schlecht geworden. Keine Bange, kommt nicht wieder vor.“ Halb um mir beim Aufstehen zu helfen, halb um sich selbst die Angst zu nehmen, nimmt mein Kurzer mich bei der Hand. Soweit sind wir also schon. Mein Kind muss mir auf die Beine helfen. Irgendwie sollte das andersherum sein.
Nachdem ich T-Shirt und Hose sauber geklopft habe, folgen wir den Pfeilen „Frühstück- und Essensraum“.  Mit uns steuern ca. 10 Familien die Flügeltür zum Essensaal an. Die Kinder führen Schwimmreifen, aufblasbare Flamingos, Eisbären und Pinguine mit. Vor der Eingangstür befindet sich eine Zone, wo all das Zeug und zusätzlich Kinderwägen, Buggys, ein Surfbrett, zwei Luftmatratzen und ein alter Mann vorübergehend abgestellt werden können. „Morgen hole ich meine auch gleich mit!“, ärgert sich mein Kleiner. „Sei’s drum. Kann man ja nicht wissen.“, versuche ich mich zu entschuldigen, „jetzt müssen wir nur noch die Mama finden.“

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