Pascha für eine Nacht

„Lara. Royal Holiday Palace!“. Offensichtlich meint unser Transfer-Begleiter, dass wir jetzt aussteigen sollen, da sonst niemand mehr im Bus ist. Doch Sabine, Noah und ich sitzen wie in Schockstarre beim Anblick des riesigen neunstöckigen Hotelkomplexes, der sich vor uns in den Himmel schraubt. „So habe ich mir einen romantischen, familiären Urlaub an der türkischen Riviera vorgestellt“, kommentiert Sabine die Situation. „Jetzt lass uns doch erstmal reinschauen. Vielleicht ist es innen ja ganz nett!“ „Nett ist wohl kaum der richtige Ausdruck. Monströs, gigantisch wären wohl besser.“ „Wir bitten nun die verbliebenen Gäste den Bus zu verlassen und wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt! Bitte vergessen sie nicht den alten türkischen Brauch, beim Verlassen des Busses dem Busfahrer und seiner 20 köpfigen kurz vor dem Hungertod stehenden Familie, eine kleine Anerkennung für seine hervorragende Fahrleistung zu hinterlassen.“  „Na, da wollen wir mal nicht so sein!“, sage ich und lege beim Aussteigen spendable zwei Euro in das Körbchen.“ Trotz dieser großen Geste hilft uns der Fahrer beim Kofferausladen und lässt uns mit einem Hinweis auf den Hoteleingang zurück. Einen kurzen Moment denke ich noch, ob es vielleicht besser gewesen wäre, im Bus zu bleiben und den nächsten Flieger in eine ostdeutsche Plattenbausiedlung zu nehmen. Doch der Bus entfernt sich zusehends aus meinem Blickfeld. Auf zum Hoteleingang. Beim Betreten der Empfangshalle werden wir von Mamorboden und goldglitzernden Wänden und Säulen aus „Tausend und einer Nacht“ überrascht. Dieser beeindruckende Empfangsbereich und die angenehme Kühle der Klimatisierung lassen Haut und Gemüt etwas abkühlen, während wir uns mit unseren Koffern Richtung Empfangsschalter begeben, wo wir den Voucher überreichen. „Ah. Familie Bottler. Sie waren für das Flying Wings gebucht. Sie haben Glück, dass wir Sie nun in unserem ganz neuen Royal Holiday Palace begrüßen dürfen. Leider müssen wir Sie für eine Nacht in unserer Suite unterbringen, da die Zimmerkategorie Ihrer Buchung erst morgen frei wird. Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung!“. „Ganz ehrlich! Mir ist langsam alles egal. Stecken Sie uns doch in die Rappelkiste!“ „Was meinen Sie, bitte?“ „Nein, es ist für uns nicht in Ordnung. Wir haben das Flying Wings gebucht und kein Giganto Royal von Aladin und der Wunderlampe!“ „Nun, wie sie wissen, ist das Flying Wings leider komplett ausgebucht. Wir können aber gerne morgen probieren…!“ „Geben Sie uns unsere Zimmerschlüssel. Wir sind müde, erschöpft und frustriert!“ „Ihr Suite-Schlüssel. Bitte schön. Bei moralischem Unwohlsein hilft auch ein Blick in unsere Minibar, die Sie gerne aufgrund der Unannehmlichkeiten ausgiebig nutzen dürfen! Die Suite befindet sich im achten Stock auf der Meer abgewandten Seite. Bitte kommen Sie morgen nochmal vorbei, damit wir die Option im Flying Wing besprechen können. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem…“. „Ja, ich weiß Giganto Wunderlampe Goldkettchen Plattenbau. Komm Sabine. Lass uns schnell gehen. Ich wollte mich schon immer mal aus einer Suite im achten Stock stürzen!“. Als wir die Tür zur Suite öffnen, glauben wir unseren Augen nicht. Vor uns liegt keine Suite, sondern ein 150 Quadratmeter-Palast mit 2 Bädern, 2 Schlafzimmern einem Wohnzimmer und einem Jakusie aus goldfarbenen Fließen, der darauf wartet, vom Pascha Bottler benutzt zu werden. Beim Lustwandeln durch die Zimmer werden Sabines Augen immer größer. „Was für ein Luxus. Ich glaube es nicht!“ Alles ist mit Gold verziert. Edelster Marmor an den Wänden und auf dem Boden. Wertvolle Teppiche in denen man beim Drüberlaufen bis zu den Knien versinkt. An den Wänden erscheinen ansprechende Gemälde und überall sind prunkvolle Vasen und Dekorationen zu bestaunen.  „Und wo sind die Bauchtänzerinnen, um Abu Bel Hatschi Pascha de Bottler zu erfreuen?“, versuche ich das schweigende Staunen zu brechen.  „Am Bauch soll’s nicht scheitern mein Lieber, aber ob Dich mein Tanz erfreuen wird, wage ich zu bezweifeln“. Sabine lacht. Und mit dem Lachen löst sich der Frust und Zweifel in Luft auf. „Das ist mein Bett!“, meldet sich Noah zu Wort und verschwindet mit einem Hechtsprung in einem Meer aus Samtkissen, die über ein riesiges 4 Meter Doppelbett verteilt sind. „Nur bis morgen, denn dann ist wieder Zimmerwechsel angesagt!“. „Nein, ich will hierbleiben. Das ist doch toll hier. Hier kann man sogar Fußball spielen!“ „Bloß nicht. Außerdem ist das leider auch zu groß für unseren bescheidenen All inklusiv Geldbeutel mein Lieber.“ „Ok. Aber bis morgen spiele ich hier Sultan.“ Höre ich aus weiter Ferne eine Stimme, während ich im Schlafzimmer am anderen Ende unseres “Palastes für eine Nacht” meine Glieder in samtene Laken strecke und einschlafe.

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